Von Alexander Ludwig

Was ist Usability?

Als Usability-Engineer erlebt man in Gesprächen häufig, dass bei Usability nur an Oberflächen gedacht wird. „Ach, da kommen die Jungs und Mädels, die unsere Masken hübsch und die Ecken rund machen …“ oder „Unsere Anwendung hat eine gute Usability, die Masken sind total schick …“. Usability aber ist weit mehr als nur schöne Masken und die Einsparung von Klicks! Usability betrachtet die Optimierung der Oberflächen, der Abläufe und der Schnittstellen. Usability ist essentiell für den Erfolg jeder Anwendungen. Drei wichtige Grundprinzipien sind:

  • Optimale Unterstützung der Arbeitsabläufe

Eine Anwendung soll nicht nur dem Auge des Users schmeicheln, sie muss ihn auch in allen Punkten seiner Arbeit optimal unterstützen. Der Benutzer muss seine Aufgaben ohne unnötige Umwege erfüllen können.

  • Ergebnisse effizient und effektiv erzielen

Ein Produkt sollte den Benutzer in die Lage versetzen, die gewünschten Ergebnisse zu erzielen (effektiv). Zudem müssen die Aufgaben mit adäquatem Aufwand erfüllbar sein (effizient).

  • Keine Benachteiligung des Benutzers durch schlechtes Design

Die Arbeit des Users darf nicht durch lange Wartezeiten und ein unübersichtliches Design benachteiligt werden. Der User sollte intuitiv erkennen, wo er die gesuchten Informationen finden kann, um den zeitlichen Aufwand zu minimieren (zufriedenstellend).

Warum sollte in Usability investiert werden?

Eine Faustregel der Usability sagt „Jeder Euro, der in Usability investiert wird, spart 10 bis 100 Euro“. Entwicklungsprojekte sollten etwa 10% ihres Budgets in Usability investieren. Nach einem Re-Design unter Usability-Aspekten können Webseiten ihre Usability um durchschnittlich steigern[i].

Die Auswirkungen guter Usability sind vielseitig. In B2C Anwendungen etwa ist Usability erfolgskritisch:

  • Benutzer sind zufriedener und somit eher dazu bereit das Produkt zu empfehlen
  • Support Kosten können drastisch reduziert werden, weil das Produkt einfach besser benutzt werden kann
  • Benutzer können ihre gewünschten Tasks schneller erfüllen, wie etwa den Abschluss eines Einkaufs im online Shop.

Im B2B Bereich macht sich Usability ebenfalls bezahlt:

  • Fehlerquoten bei der Durchführung von Arbeits-Task sinken merklich
  • Trainingskosten können drastisch reduziert werden
  • Produktivität steigt, da der Spaß an der Arbeit steigt oder umgekehrt die Frustration über veraltete und „unbedienbare“ Anwendungen sinkt

Wie sollte Usability Engineering zum Einsatz kommen?

Usability wird bei der Entwicklung von Software entweder bei der Neuentwicklung oder bei der Weiterentwicklung genutzt. Für den Aufbau des Entwicklungsprozesses gibt es mehrere Modelle, die die Entwicklung in unterschiedliche Phasen aufteilen.

Ein Beispiel ist das Prozessmodell der DaimlerChrysler-Forschung. Das Model separiert 5 Phasen der Entwicklung:

  1. Projektmanagement (10%),
  2. Anforderungsanalyse (40%),
  3. User-Interface-Entwurf (30%),
  4. Evaluation (10%) und
  5. Einführung, Dokumentation, Schulungen (10%).

Usability kann in der 2. (Anforderungsanalyse), 3. (User-Interface-Entwurf) und 4. (Evaluation) Phase eingesetzt werden. Eine Empfehlung ist: so früh wie möglich Usability in den Prozess zu integrieren. Je später mit Usability begonnen wird, umso höher sind die Kosten und desto geringer die Verbesserungen. In der Regel spricht man davon, dass die Kosten für Usability in der 4. Phase im Vergleich zur 2. Phase mindestens 30% höher sein werden.  So konnte etwa American Airlines seine Kosten zur Beseitigung von Usability-Problemen um 60-90% senken, indem Usability-Probleme bereits in der Designphase beseitigt wurden[ii] (Phase 3 – User-Interface-Entwurf).

Discount Usability „“ Viel Mehrwert für wenig Geld

Usability-Methoden gibt es viele. Von teuren Labors, die Investitionen von mehreren Tausend Euro erfordern („Luxus-Usability“) bis hin zu einfachen und kostengünstigen Methoden. Ein empfehlenswertes Beispiel für ein „viel Mehrwert für wenig Geld“-Verfahren ist „Discount-Usability“.

Discount-Usability hat sich bewährt und bietet gute Qualität bei vergleichsweise niedrigen Kosten. Obwohl Discount-Usability bereits vor über 20 Jahren definiert wurde, ist das Vorgehen noch immer empfehlenswert. Discount-Usability besteht aus „vereinfachten Benutzertests“, „reduzierten Prototypen“ und „heuristischer Evaluation“.

  1. Vereinfachte Benutzertests. 5 Endnutzer arbeiten identische Aufgaben am System ab. Die Anzahl von 5 Nutzern hat sich mit der Zeit als ein optimaler Wert herausgestellt. Etwa 85% der Usability-Probleme und „“Fehler können damit gefunden werden. Bei der Abarbeitung der Aufgaben soll der Endbenutzer laut denken und alles aussprechen was ihm auffällt, stört oder fehlt. Ein Usability Engineer sitzt neben ihm und schreibt alles mit, ohne ihn bei seinen Handlungen zu beeinflussen. Durch Analyse der Notizen können die Probleme später dokumentiert und konkrete Anforderungen abgeleitet werden.
  2. Reduzierte Prototypen (Papierprototypen). Papierprototypen sind schnell zu erstellen, leicht veränderbar, vermitteln einen guten Eindruck über das Ziel und sie sind vor allem unschlagbar günstig.
  3. Heuristische Evaluation ist die Überprüfung des Designs an Hand von etablierten Usability-Regeln und Standards (z.B. Prinzipien der Dialoggestaltung).

„Discount-Usability liefert oft bessere Resultate als „Luxus-Usability“, weil ihre Methoden den Schwerpunkt auf frühe und schnelle Iterationen mit schnell wechselndem Usability-Input legen.“ „Einfache Benutzer-Tests mit 5 Teilnehmern, Papier-Prototyping und heuristischen Evaluation bieten eine preiswerte, schnelle und frühzeitige Fokussierung auf Benutzerfreundlichkeit, sowie viele Runden iterativen Designs“. [iii]

Über den Autor

Alexander Ludwig ist Usability Engineer im Competence Center für Moderne Clients bei Opitz Consulting und hilft Unternehmen bei der Umsetzung von innovativer und zukunftsorientierter Software durch Usability.

Lesen Sie auch das Opitz Consulting White Paper zu „Usability in the Enterprise“

DOWNLOAD:

http://www.opitz-consulting.com/fileadmin/user_upload/Collaterals/Artikel/whitepaper-usability-in-the-enterprise_sicher.pdf

Referenzen

[i] Nielsen, Jakob; Giluz, Shuli: Usability Return on Investment, 2nd edition.

[ii] Bias, R. G. & Mayhew, D.J. (1994) Cost-Justifying usability.

[iii] Jakob Nielsen’s Alertbox, September 14, 2009

Alle Beiträge von Andreas Lehner

Ich helfe seit mehr als 15 Jahren internationeln Großunternehmen und Organisationen menschen-zentrierte Software und IT-Lösungen zu gestalten und zu entwickeln. Die Grundlage meiner Arbeit bilden die Prinzipien, Werte und Methoden aus Design Thinking, Agile und UX Design. Auf diesem Blog möchte ich mein Wissen und meine Erfahrung mit dir teilen. Du findest die Inhalte bereichernd und interessant? Teile gerne mit anderen.

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