Nach sechs Gesprächen zwischen Architekt Adam (AM) und Anforderungsmanager Manfred (AM) ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Auch wenn diese Dialoge fiktiv sind, spiegeln sie doch reale Herausforderungen aus Projekten im öffentlichen Sektor wider – und liefern konkrete Denkanstöße für ein effizienteres Anforderungsmanagement.

Die Quadratur des Kreises

… soviel zu Adam und Manfred. Diese Gespräche haben nie so stattgefunden. Aber die Probleme, die Architekt Adam hat, sind aus unserer Sicht typisch. Nicht nur typisch für die Rolle von Architekt:innen sondern wir sind überzeugt, dass es ein entsprechendes Gespräch unter den Verantwortlichen auch auf der Kundenseite geben könnte. By the way: Auch dieser Blickwinkel wäre eine eigene Blogserie wert … aber das wäre ein anderes Thema.

Die Situation des Architekten Adam in einem Projekt bei einer öffentlichen Institution ist charakteristisch, auch für andere Branchen. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Doch es gibt Wege aus dem Labyrinth, aus der Quadratur des Kreises: Oder sagen wir lieber: Es gibt Alternativen. Und nein, wir werden im Folgenden nicht die nächste Revolution ausrufen oder intensiv über KI reden. Stattdessen wollen wir auf relativ einfache Anpassungen hinweisen, die zu einem erheblich besseren Ergebnis für alle Beteiligten führen könnten.

Wie das gehen kann, darum geht es in dieser Zusammenfassung im letzten Teil der Serie. Dafür sehen wir uns die Erkenntnisse der simulierten Diskussion unserer Protagonisten der letzten Wochen genauer an. Wer hier auf operative Fragen hofft, wie: „Was ist in einem Kick-off-Termin zu beachten?“, den müssen wir leider enttäuschen. Uns interessiert heute das Große und Ganze.

Das Glaubenssystem hinter dem klassischen Ansatz

Das initiale Ziel der Anforderungsanalyse im diskutierten Projekt-Setup war eine möglichst detaillierte Spezifikation zu schreiben. Diese wiederum bildete den Kern einer Ausschreibung bzgl. der Umsetzung der Anforderungen als Gewerk zum Festpreis. Dahinter steht oft die Annahme: „Je detaillierter die Spezifikation, desto geringer das Umsetzungsrisiko.“ Und das bedeutet häufig, wenn man mit Fachexperten spricht, eine zu starke Betonung der Fachanforderungen. Fachanforderungen sind aber aus Sicht der Architektur nur einer von vielen Bereichen, die betrachtet werden müssen.

Im Rahmen der Risikoübertragung ins Gewerk wird angenommen, dass im Ergebnis damit das magische Dreieck aus Umfang, Kosten, Zeit fixiert ist. Doch die Praxis zeigt: Risiken treten fast immer ein – und dann bleibt oft nur die Qualität als Stellschraube. Damit riskieren Auftraggeber und Auftragnehmer gleichermaßen wirtschaftliche oder qualitative Einbußen.

Typische Probleme in der Praxis

  • Spezifikation unvollständig oder unpräzise
  • Änderungen der Anforderungen zwischen Analyse und Umsetzung
  • Implizite Annahmen nicht explizit gemacht
  • Neue Erkenntnisse beim Kunden während der Umsetzung
  • Kalkulation zu ungenau, realer Aufwand deutlich höher

Diese Mängel sind seit Langem bekannt. Agile Methoden versuchen, sie durch kleinere, interaktive Iterationen abzufedern. Doch im öffentlichen Sektor sind agile Projekte oft nur eingeschränkt möglich – sei es aus rechtlichen, organisatorischen oder budgetären Gründen.

Ein alternativer Weg: Zielorientierte Analyse

Ein Ausweg kann sein, die Anforderungsanalyse zu verkürzen und sich auf das zu konzentrieren, was für eine belastbare Kalkulation wirklich entscheidend ist. Statt maximaler Detailtiefe geht es um das klare Umreißen von Anforderungen und eine wertorientierte Budgetierung.

Das bedeutet:

  • Fokus auf architekturrelevante Aufwandstreiber. Architekturtreiber sind auch unter dem Namen -ilities bekannt (Functionality, Maintainability, Usability, Interoperability,  …).
  • Grundsätzliche Aussagen zu Schnittstellen, Prozessen, UI
  • Berücksichtigung typischer Querschnittsfunktionalitäten
  • Klärung wesentlicher Aspekte zum Betrieb

Detailliert wird nur dort, wo es Kosten und Risiken maßgeblich beeinflusst.

Was braucht es?

Wir glauben: Die „Quadratur des Kreises“ ist möglich. Mit mehr Zielorientierung und angepassten Analyse- und Moderationstechniken kann die Zeit für die Anforderungsanalyse deutlich verkürzt werden – ohne zusätzliche Risiken in der Umsetzung.

Das erfordert:

  • Den Willen des Kunden, Perfektion gegen klare, risikoarme Anforderungen zu tauschen
  • Die Bereitschaft, früh konzeptionelle Entscheidungen zu treffen
  • Ein Beraterteam, das konsequent auf dieses Ziel hinarbeitet und die passenden Methoden einsetzt

Fazit: Mehr Fokus, weniger Ballast

Mit einem schlankeren, aber zielgerichteten Analyseansatz gewinnen Auftraggeber und Auftragnehmer.

Die drei wichtigsten Vorteile:

  • Weniger Overhead in der Analyse
  • Bessere Planbarkeit
  • Mehr Freiraum für agile, kreative Umsetzung

So wird Anforderungsmanagement im Festpreisprojekt nicht zur Fleißarbeit, sondern zu einem echten Erfolgsfaktor – und die Quadratur des Kreises ein Stück greifbarer.


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Alle Teile der Serie ansehen

Teil 1: Ein neues Projekt und viele offene Fragen
Teil 2: Viele Wege führen nach Rom, aber welchen wollen wir gehen?
Teil 3: Ein Auftrag? Nein, viele! Und alle wollen etwas anderes
Teil 4: Was braucht man wirklich, um zu schätzen?
Teil 5: Testen vergessen?
Teil 6: Analyse, Ausschreibung und Umsetzung – es muss zusammenpassen!
Teil 7: Fazit und Ausblick

Alle Beiträge von Tim Teulings

Tim Teulings ist als Senior Solution Architekt bei OPITZ CONSULTING tätig. Er unterstützt Software-Entwicklungsteams dabei, schnell, einfach und entspannt Software aufzubauen, die perfekt zum Kunden passt. Am Ende stehen Ergebnisse, die der Kunde wirklich haben will – nicht nur eine Version 1.0. Die Themenbereiche Modernisierung und Integration gehören in dieser Funktion zu seinem täglichen Geschäft. Zu Tims Schwerpunkten zählen entsprechende Tools, Frameworks, Methoden, Vorgehen, Architekturen und Techniken.

Foto: Hilko Delonge, OPITZ CONSULTING
Alle Beiträge von Hilko Delonge

Hilko arbeitet bei OPITZ CONSULTING als Lead Business und IT Analyst. Er verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich Requirements Engineering und arbeitet hier eng mit den Kunden an der Entwicklung und Formulierung von Fachanforderugnen in Digitalisierungsprojekten. Er verfügt nicht nur über Projekterfahrung, sondern treibt auch die stetige Weiterbildung der Business Analysten voran.

Alle Beiträge von Richard Attermeyer

Richard Attermeyer arbeitet als Chief Solution Architect bei OPITZ CONSULTING. Er ist seit vielen Jahren als Entwickler, Architekt und Coach für die Themen Modernisierung, Architektur und agile Projekte tätig und hilft Unternehmen, mit motivierten Teams erfolgreiche Projekte zu realisieren.

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