Ende November veranstaltete der Innovation Hub Bergisches Rheinland in Gummersbach bei Köln ein Bootcamp zum Thema Nachhaltigkeit und Ökobilanzierung. Eine Gelegenheit, die wir uns als Community zu „Bewusster IT“ bei einem IT-Dienstleister wie OC nicht entgehen lassen konnten. Angereist sind wir mit zwei IT-Fachleuten, Architekturen, Erwartungen und vor allem: mit Fragen!

In dem 2-tägigen, aktiven Workshop-Format durften wir uns mit anderen Firmen aus der Region austauschen über verschiedenste Themen, aber auch Sorgenfalten.

Warum eine Ökobilanz?

Klar ist, aus unser aller Verantwortung heraus, dass wir nachhaltig werden möchten; nachhaltig sein möchten. Das „werden“ ist aber genau genommen erst die zweite Frage. Die erste ist: Woher wissen wir, ob und wann wir nachhaltig sind? Oder, wie weit wir noch entfernt sind? Wie messen wir das?

Nachhaltigkeit heißt, “die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. […] wirtschaftlich effizient, sozial gerecht, ökologisch tragfähig – gleichberechtigt”, definiert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Der Fokus des Workshops lag dabei vor allem auf den Aspekten der ökologischen Tragfähigkeit. Es drehte sich vieles um den berühmt-berüchtigten CO2-Fußabdruck.

Wo liegen neuralgische Punkte?

Wir durften lernen, wie wir die aus CO2-Sicht neuralgischen Punkte unseres Produktportfolios identifizieren und wie wir Ansatzpunkte finden können, um unseren CO2-Fußabdruck zu verringern.  Hierzu nutzten wir verschiedene Tools und schauten uns Datenbanken an, mit denen ein Carbon Footprint für die Scopes 1 (direkte Emissionen), 2 (indirekte Emissionen der Versorger), 3 (indirekte Emissionen über die gesamte Lieferkette) berechnet werden kann.

Ein Ecodesign Assessment kann etwas informeller helfen, den Optimierungsgrad der eigenen Produkte im Hinblick auf Kategorien wie Design , Ressourcen, Herstellung, Vertrieb, Nutzung, Entsorgung und Business Modell zu bewerten und Indikatoren für versteckte Potentiale zu entdecken.

Eine Betrachtung des kompletten Lifecycles hingegen kann helfen, die Wiederverwertbarkeit eines Produkts oder zumindest von Produktteilen oder Rohstoffen zu optimieren.

Das Pareto-Prinzip

Beim Üben und Anwenden all dieser Tools wurden zwei Erkenntnisse schnell offensichtlich:

Erkenntnis 1

Je detaillierter wir werden wollen, desto komplizierter wird es, eine gute Einordnung zu schaffen.

Erkenntnis 2

Jede Branche, teilweise auch jede Unternehmung hat ihre ganz eigenen Herausforderungen.

Deshalb ist eine wichtige Erkenntnis methodischer Art für uns, sich auf das Pareto-Prinzip zu berufen. Die Key-Faktoren, die für 80% unseres C02-Fußabdrucks verantwortlich sind zu identifizieren und an diesen zu arbeiten. Und das ist für einen Autoteilehersteller oder für medizinische Produkte eine ganz andere Nummer als für einen IT-Dienstleister, wie wir es sind.

Unser Produkt als IT-Service-Manufaktur besteht im ersten Schritt aus einer individuellen Arbeitsleistung, die im Kopf der Berater stattfindet. Wir fragen, konzipieren, besprechen oder dokumentieren zunächst die Bedarfe und Wünsche des Kunden. Danach wird eine Individuallösung implementiert. Eine Software, oder ein Software-Verbund, der auf Hardware entwickelt und schlussendlich betrieben wird.

Daraus ergibt sich Erkenntnis Nummer drei:

Erkenntnis 3

Eine Bewertung, ob unsere Leistungen ökologisch effizient sind, lässt sich pauschal oft nicht sagen, sondern hängt auch davon ab, auf welchen Aspekt man fokussiert.

Welchen Fokus legen?

Auf das obige Beispiel bezogen stellte sich für uns die Frage, ob wir die Perspektive der Hardware oder der Software einnehmen sollten. So bedeutet ein effizienter Umgang mit Hardware etwa, dass diese möglichst stromsparende Prozessoren nutzt, möglichst lange verwendet wird, oder möglichst effizient skaliert und ausgelastet wird. Man kann auch hinterfragen, ob das Rechenzentrum beispielsweise mit grünem Strom betrieben und möglichst klimafreundlich klimatisiert wird. Wie viel Redundanz ist nötig und muss diese ohne spürbare Ausfallzeit einsatzbereit sein?

Im Fall der Software wäre der Blick ein anderer. Folgende Kriterien könnten relevant sein:

Ist die Software so flexibel gestaltet, dass sie auf viele Jahre mit moderaten Anpassungen für die Bedarfe des Kunden geeignet ist?
Wie kann der Wiederverwendungsgrad erhöht werden durch die Nutzung von Frameworks?
Kann in Teilen auf Standardsoftware zurückgegriffen werden, die am besten auch möglichst nachhaltig entwickelt und vertrieben wird?

Denn letztlich bedarf jede Entwicklung auch einer Infrastruktur, Entwickler-Hardware, Testumgebungen etc. und fordert Dienstfahrten zum Kunden oder zumindest intensivere Remote-Kommunikationsaktivitäten. Das flexible und langlebige Produkte auch ökonomisch sinnvoll sind, leuchtet schnell ein. Spinnt man das Rad weiter, entdeckt man aber auch schnell die Wechselwirkungen zwischen Hardware und Software. Eine in Maschinensprache entwickelte Software kann viel effizienter und damit energiesparender mit der Hardware umgehen, ist aber unter Umständen nicht so langlebig, da sie unflexibler ist.

Fazit

Diese Diskussion kann man noch sehr lang und weit stricken und einen hundertprozentig genauen CO2-Fußabdruck für die eine konkrete Dienstleistung zu erstellen, ist kaum möglich. Dafür müsste man jede einzelne Dienstfahrt aller Berater und Beraterinnen, die CO2-Emission jeder Sprachnachricht, die im Laufe des Projektes entsteht, und jede Büroklammer im Aktenordner des Betriebshandbuchs erfassen.

Man kann aber nach Pareto festhalten, dass der große Treiber unserer Branche sich vermutlich auf den Strombedarf festlegen lässt. Strom durch die Arbeit mit und an Computern, den Betrieb von Rechenzentren und auch durch ständiges Aktualisieren und Hochskalieren von Hardware, welche in der Produktion sehr CO2-teuer ist. Hier dürfen wir, hier müssen wir lernen, nachhaltige, effiziente Lösungen zu entwickeln, die einen langen Lebenszyklus haben und möglichst wenig Hardwareressourcen verbrauchen.

Um das Thema vollständig zu durchdringen, reichten die 2 Tage in Gummersbach keinesfalls. Um eine Idee zu bekommen, wo Hebel sein könnten, und welche Tools helfen können, war das Event eine gelungene, runde Veranstaltung.

Danke an den Innovation Hub! Details zum Bootcamp

Alle Beiträge von Sebastian Pospiech

Seit 2005 arbeite ich im Fachgebiet der Informatik. Dank meiner Ausbildung zum Systemintegrator, meines Bachelorstudiums der Wirtschaftsinformatik und meines Master in Informatik für komplexe Architekturen habe ich viele Disziplinen dieses hochspannenden Berufs ausprobieren dürfen. Seit 2011 bin ich im Umfeld Data & Analytics hängen geblieben, weil mich der Mix aus fachlicher und technischer Arbeit begeistert und ich überzeugt bin, dass datengestützte oder gar datenzentrierte Arbeit helfen kann, effizientere, nachhaltigere und bessere Produkte und Dienstleistungen für Menschen zu erzeugen. Das Themenfeld Data & Analytics bringt ein Stück Wissenschaftlichkeit in alle Branchen der Marktwirtschaft und ist nicht länger nur der Forschung vorbehalten. Persönlich interessiert mich dabei das Thema Nachhaltigkeit besonders, die vielleicht schwierigste, aber gewiss wichtigste Herausforderung unserer Zeit. Ich glaube und hoffe, dass datengetriebene Arbeit dabei helfen kann, nachhaltiger zu handeln.

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