Viele Unternehmen treffen heute immer noch wesentliche Entscheidungen aus dem Bauch heraus oder auf der Basis klassischer Business Intelligence, also aufgrund von Erfahrungen, die sich mithilfe historischer Daten begründen lassen. In Zeiten der Digitalisierung reicht dies allein nicht mehr aus, um als Unternehmen erfolgreich zu sein. Im ersten Teil dieser Blogpostserie haben wir uns damit beschäftigt was es bedeutet „datengetrieben“ zu sein und welche Themenfelder dabei wichtig sind. Im ersten Themenfeld „Data Management“ (Wie kann ich mehr Daten nutzen?) geht es darum die Grundlage an Daten zu erweitern, auf deren Basis Entscheidungen getroffen und Wissen generiert wird. In diesem zweiten Teil beschäftigen wir uns mit den beiden weiteren Themenfeldern „Data Analytics“ (Wie kann ich die Daten besser nutzen?) und „Data Democratization“ (Wie können Daten von mehr Personen genutzt werden?) bevor wir im abschließenden Teil 3 der Serie darstellen, wie ein Transformationspfad in ein datengetriebenes Unternehmen konkret aussehen kann.

Data Analytics, oder: Wie kann ich die Daten besser nutzen?

Die Bandbreite an Verfahren und Techniken, um Daten zu analysieren reicht von deskriptiven Verfahren wie Reporting oder Dashboarding bis zu ausgefeilten Verfahren aus dem Bereich Machine Learning wie Prognosen und Vorhersagen. Während einfachere Verfahren auch heute noch unter dem Begriff Business Intelligence laufen, haben sich für die prediktiven und preskriptiven Verfahren die Begriffe Business Analytics oder auch Advanced Analytics eingebürgert (siehe Abb. 1).

Data Analytics nach Reifegrad und erzieltem Wert, angelehnt an [1]
Abb. 1: Data Analytics nach Reifegrad und erzieltem Wert, angelehnt an [1]
Die Entwicklung hin zur Verwendung komplexer Methoden erfolgt dabei üblicherweise über die Zeit. So wird es mit zunehmendem Reifegrad möglich, komplexe Muster in Daten zu erkennen sowie Vorhersagen über vermutlich eintretende Ereignisse abzuleiten. Kamen diese Verfahren aufgrund der hohen Anforderungen an Skills, Daten und Rechenleistung früher nur sehr vereinzelt zum Einsatz, hat sich der Markt der Produkt- und Toolanbieter inzwischen so verändert, dass solche Analysen für weitaus mehr Personen im Unternehmen möglich sind. Mit steigendem Reifegrad steigt üblicherweise auch der Nutzen für das Unternehmen und damit auch der Nutzen und Wert der analysierten Daten.

Wie im Themenfeld „Data Management“ ist auch hier ein durch Anwendungsfälle getriebenes schrittweises Vorgehen von Vorteil: konkrete Anwendungsfälle wie „Finanzreporting“, „Risikoanalyse“, „Churn Prevention“ oder „Absatzprognose“ werden durch Methoden aus dem Bereich Business Intelligence (z.B. Ad hoc Reporting) oder Business Analytics (z.B. Prognose) unterstützt. So können sich Unternehmen mit jedem neuen Anwendungsfall auch eine neue Methode erschließen und damit den eigenen Reifegrad und schlussendlich auch den erzeugten Nutzen Schritt für Schritt erhöhen. Gleichzeitig bleiben die klassischen BI-Methoden aber immer noch sinnvoll einsetzbar.

Das Zusammenspiel von Data Analytics und Data Management ist hier entscheidend: Bessere Analyseverfahren helfen bereits weiter, aber deutlich mehr Nutzen wird erreicht, wenn auch die Datenbasis sukzessive deutlich ausgebaut wird. Für einige Verfahren ist eine große Menge an Daten sogar unabdingbar.

Der nächste Schritt geht in Richtung Automatisierung: Systeme stellen dem Anwender zukünftig nicht mehr nur wertvolle Erkenntnisse für Entscheidungs- bzw. Optimierungsprozesse zur Verfügung, sondern überführen berechnete, bestmögliche Handlungsoptionen automatisch in Aktionen („Automated Decision Making“). Ein Beispiel hierfür sind in Echtzeit angezeigte persönliche Empfehlungen oder personalisierte Werbeanzeigen in einem Webshop. Wird dieser Ansatz weiter optimiert, ist es zum Teil heute schon möglich, kognitiv arbeitende Systeme zu erstellen, die menschliche Lern- und Denkprozesse simulieren und sich durch die gemachten Erfahrungen und gesammelten Daten selbstständig weiterentwickeln. Solche selbstlernenden Systeme können in Echtzeit mit ihrem Umfeld interagieren und die erhaltenen Informationen für ihre eigenständig entwickelten Erkenntnisse berücksichtigen ([2]).

Sieht man sich diese Potenziale an, wird klar warum Gartner bereits 2015 davon ausging, dass „im Jahr 2020 Informationen verwendet werden, um 80 % der Geschäftsprozesse, die älter als zehn Jahre sind, zu erneuern bzw. abzuschaffen“ ([3]).

Data Democratization, oder: Wie können Daten von mehr Personen genutzt werden?

Besseres Datenmanagement und neue Analysemöglichkeiten alleine reichen jedoch noch nicht aus. Die Transformation hin zu einem datengetriebenen Unternehmen erfordert auch einen Kulturwandel in Bezug auf handelnde Personen, deren Organisation, Skills, Aufgaben und Fähigkeiten. Dies betrifft speziell das Bewusstsein für und den Umgang mit Daten.

Um den vollen Nutzen aus den vorhandenen Daten zu ziehen, sollten möglichst viele Mitarbeiter im Unternehmen, auf Daten zugreifen und sie täglich in die eigenen Entscheidungen einbeziehen. Daten können auf diese Weise das Know-how innerhalb eines Unternehmens demokratisieren und vervielfachen. Geänderte Governance-Prozesse, die für eine Demokratisierung im Umgang mit den Daten sorgen, oder die Einführung von Self-Service BI sind dafür ein guter Anfang.

Des Weiteren kommen hier Programme zum Thema Data Literacy ins Spiel, die Mitarbeitern die nötigen Fähigkeiten zur aktiven und sinnvollen Nutzung von Daten vermitteln. Dies betrifft nicht nur technische Fertigkeiten für den Umgang mit Tools und Methoden sondern auch das Verständnis für Wertschöpfungsprozesse und die Frage, wie Daten darin genutzt werden. Mitarbeiter müssen also in die Lage versetzt werden, die richtigen analytischen Fragen zu stellen, Daten auch mal kritisch bzgl. Herkunft, Qualität oder Eignung zu hinterfragen, Analyseergebnisse korrekt zu interpretieren, richtige Darstellungsformen, zum Beispiel mit Data Visualization oder Data Storytelling, für Daten zu finden und so gewinnbringend für die eigenen Aufgaben einzusetzen.

Neben der Befähigung vorhandener Mitarbeiter ist es aber auch unabdingbar für Unternehmen, sich mit neuen Rollen rund um die Datenverarbeitung zu befassen. Dabei geht es um Rollen wie Data Stewards, Chief Data Officer, Data Coach, Citizen Data Scientist oder Produktmanager sowie dem Recruiting entsprechender Mitarbeiter.

Nach der Beschreibung der drei Themenfelder wollen wir im abschließenden Teil 3 dieser Blogpostserie noch darauf eingehen, wie ein Plan zu einer Transformation in ein datengetriebenes Unternehmen aussehen kann.

Literaturhinweise zu diesem Blogpost:

[1] „Eight Levels of Analytics“, sascom magazine, SAS Institute, Inc., Cary, NC, 2008(4)

[2] https://www.bigdata-insider.de/was-ist-cognitive-computing-a-641356/, abgerufen 23.3.2020

[3] https://www.forbes.com/sites/gartnergroup/2015/02/12/gartner-predicts-three-big-data-trends-for-business-intelligence/#247e4aa86de4, abgerufen 23.3.2020

Alle Beiträge von Jens Bleiholder

Dr. Jens Bleiholder beschäftigt sich seit über 15 Jahren mit verschiedenen Themen aus den Bereichen Informationsintegration und Datenqualität. Er hat mehrere Jahre Erfahrung im Projektgeschäft bei Konzeption und Aufbau von Data Warehouses und Analytics-Lösungen gesammelt und arbeitet nun im Bereich Business & IT Innovation der OPITZ CONSULTING Deutschland GmbH. Dort kümmert er sich schwerpunktmäßig um alle Themen, die etwas mit Daten zu tun haben.

Schreibe einen Kommentar