Anschub für IT-Modernisierung – Teil 1: Wie Event Storming & Co das Neue beflügeln

Ich habe ein Bestandsystem, und es geht nicht mehr. Ich muss modernisieren! Mit Trick 17 und zahllosen Work Arounds lässt sich ein alter Dampfer lange über Wasser halten. Doch irgendwann gerät ein solches Schiff unweigerlich in Schieflage, und alles, was sich darauf befindet. In dieser Schieflage können ganze Geschäftszweige hinten runterkippen. Wo aber liegt der Kipppunkt?

Klare Zeichen für die Softwaremodernisierung

Erfahrungsgemäß gibt es klare Zeichen, die Ihnen zeigen, dass Ihre IT-Systeme tiefgreifend modernisiert oder neu aufgebaut werden müssen:

  • Ist Ihre Software nicht mehr wartbar?
  • Haben sich Ihre Geschäftsprozesse geändert, aber Ihre Software nicht?
  • Scheitert z. B. die neue Vertriebsstrategie an der bestehenden Software?
  • Steht der IT-Leiter vor Ihnen und weist Sie darauf hin, dass es – außer Günther, der bald in Rente geht – niemanden gibt, der das System kennt, und auf dem Stellenmarkt möchte diesen Job niemand mehr machen?
  • Denken Sie über mehr oder weniger Standardlösungen nach?
  • Antworten Sie deprimiert mit „Cobol“, wenn der Vorstand das Thema „Digitalisierung oder gar „KI“ auf den Tisch bringt?

Dann ist es Zeit für eine grundlegende Modernisierung, also der Schritt-für-Schritt-Anpassung, Ergänzung und Ersetzung von Teilen des Bestandsystems bis hin zur schlussendlichen Ablösung durch eine neue Lösung.

Was nun?

Häufig läuft es so ab: Der Fachbereich schreibt eine lange Wunschliste, die aber eher die Fehler und Mängel des Bestandsystems aufzählt, als dass sie ein neues, innovatives System beschreibt. Als Verantwortliche holen Sie alte Konzepte hervor, die irgendwie aber auch nicht mehr passen. Das Entwicklungsteam will alles modern und in der Cloud machen – kann aber nicht erklären, warum dies fachlichen Mehrwert bringt. Von KI hat einfach niemand Ahnung. Währenddessen ist Spezialist Günther damit beschäftigt, das System am Leben zu halten. Für mehr fehlt ihm die Zeit.

Und Sie?

Kennen Sie dieses Gefühl: Sie stehen auf der Tribüne und um Sie herum wissen alle, wie es besser geht. Jede einzelne Person gibt alles. Aber trotz des großen Engagements aller Stakeholder kommen Sie in Summe nicht zu einem gemeinsamen Bild, drehen sich immer wieder im Kreis? Sie sehen das große Ganze nicht.

Sie brauchen Anschubhilfe!

Event Storming: Nicht nur ein paar Klebezettel

In dieser Situation führen wir im Rahmen unseres strukturierten Vorgehensmodells gerne Event Storming Workshops mit unseren Kunden durch – begleitet durch weitere Maßnahmen wie z. B. das Context Mapping sowie einer tiefgreifenderen Analyse der resultierenden Arbeitsergebnisse.

Diese Methoden nutzen wir bei OPITZ CONSULTING, um uns mit dem Kunden zusammen zu fokussieren. Dabei entwickeln wir mit den verschiedenen Stakeholdern ein gemeinsames Bild: das Big Picture. Erfahrungsgemäß gibt es keinen besseren Weg, um den gefühlten gordischen Knoten zu lösen!

Doch nicht nur das: Event Storming und Co. helfen uns auch, in den nächsten Schritten über fachliche Bausteine, technische Schnitte und Projekt- und Team-Organisation zu reden. Und sie können helfen, das Modernisierungsprojekt richtig anzugehen und frühe, schnelle Erfolge zu erzeugen.

Im Folgenden möchte ich genauer zeigen, wie wir vorgehen und erläutern, woran wir bei diesen Methoden den Wert für unsere Kunden festmachen – über eine Wand mit bunten Zetteln als offensichtliches Ergebnis hinaus.

Agil und iterativ vorgehen

Der Punkt, an dem über man über Abriss und Neubau redet, ist der Punkt, an dem klar ist, dass am Ende einer langen Modernisierung (da Abriss und Neubau eben in der Praxis doch nicht geht) eine neue Software entstanden sein wird, da die notwendigen Änderungen tiefgreifend sein werden und genau diese Änderungen vom Kunden auch gewollt sind, um dem aktuellen Business wieder gerecht zu werden. Eine Modernisierung, die viel tiefgreifender ist.

In Konsequenz geht es dann schnell eher um die Definition eines neuen Ziel-Systems und damit z.B. um folgende Themen:

  • Mehr Digitalisierung, eine aktuelle und zukunftsorientierte Sicht auf die Fachlichkeit
  • Neue, bessere Prozesse für Mitarbeiter, Partner und Kunden
  • Ersatz selbst entwickelter Elemente durch Standard-Systeme
  • Eine komplett neue technologische Basis, die das möglich macht, was das Bestandsystem nie können wird

Dies ist der Zeitpunkt, in dem Wunschlisten entstehen, erste Konzeptbilder gemalt werden, alte Konzepte, die nie realisiert wurden, herausgekramt werden und Diskussionen um die richtige Lösung beginnen. Oft eben aber auch der Zeitpunkt, an dem der Kunde mit der Bitte um methodische Unterstützung auf uns zu kommt.

Grundsätzlich empfehlen wir dem Kunden das folgende Vorgehen, um gemeinsam, iterativ mit dem Kunden den Ist-Zustand zu erfassen und zu einem gemeinsamen Zielbild und dann zu einer initialen Realisierung zu kommen und somit wieder zu einer nachhaltigen Produktpflege und Weiterentwicklung zu kommen

Die Grafik zeigt unser Vorgehen zur IT-Modernisierung in neun Schritten
Abbildung 1: Modernisierungsprozess mit entsprechenden iterativen Feedbackschleifen. In Blau die Schritte, in denen wir bei Bedarf die hier vorgestellten Methoden anwenden.

Wie erwähnt nutzen wir hierbei eine Kombination aus einer Reihe von Event-Storming und Context-Mapping Workshops, vor allem, wenn das zu migrierende System „groß“ ist, eine Modularisierung fachlich sinnvoll und eine einfache Lösung nicht einfach und offensichtlich ist. Dies verbinden wir mit weiteren Ansätzen aus dem Umfeld des Domain-Driven Designs (DDD).

Summary

Diese Methodiken helfen uns, einen guten fachlichen „Schnitt“ zu identifizieren. Aber die Vorteile reichen noch weiter. Das in Kontakt treten, der übergreifende Austausch sorgt dafür, dass fachliche, geschäftliche und technologische Fragen immer wieder auf den Tisch kommen. Dabei können Lösungen entstehen, an die zuvor im Traum noch niemand gedacht hatte.

Insbesondere Event Storming eignet sich, um mit den relevanten Stakeholdern in einer offenen und kollaborativen Atmosphäre einen neuen, frischen Blick auf den Möglichkeitsraum zu eröffnen.

Mehr lesen?

In diesem ersten Teil wurde die Frage: „Wie funktionieren Event Storming und Context Mapping – und warum geht es nicht nur um ein Bild, das sie uns liefern, sondern um weitere Informationen für das Projekt-Setup?“ nur angerissen.

In den nächsten Teilen geht es mehr in die Tiefe. Es wird u. a. darum gehen, was die Methoden mit Fragen zu tun haben wie:

  • Wie erfolgt die fachliche und technische Zerlegung?
  • Wie strukturiere ich meine Teams?
  • Wie gehe ich mit Abhängigkeiten um?
  • Wie schaffe ich ein Minimum Viable Product, das mir erste Ergebnisse liefert?

Sie dürfen also gespannt sein!

Die ganze Serie lesen:

Teil 1: Mehr als eine Wand voll Post-its – Wie Event Storming & Co das Neue beflügeln

Teil 2: Die Teile dahin legen, wo sie passen könnten – Context Mapping und seine Bausteine

Teil 3: Erkennen, was wie voneinander abhängt – Wie hilft Context Mapping, die Modernisierung erfolgreich aufzusetzen?

Teil 4: Wie Sie Context Mapping nicht machen sollten … – Negativbeispiele und ihre Lösung

Alle Beiträge von Tim Teulings

Tim Teulings ist als Senior Solution Architekt bei OPITZ CONSULTING tätig. Er unterstützt Software-Entwicklungsteams dabei, schnell, einfach und entspannt Software aufzubauen, die perfekt zum Kunden passt. Am Ende stehen Ergebnisse, die der Kunde wirklich haben will – nicht nur eine Version 1.0. Die Themenbereiche Modernisierung und Integration gehören in dieser Funktion zu seinem täglichen Geschäft. Zu Tims Schwerpunkten zählen entsprechende Tools, Frameworks, Methoden, Vorgehen, Architekturen und Techniken.

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