Christoph Keese hat mit seinem aktuellen Buch „Silicon Germany – Wie wir die digitale Transformation schaffen“ eine wunderbare Zusammenfassung zum Status Quo bzgl. der Digitalisierung in Deutschland verfasst.Wunderbar deshalb, weil sich das Buch zum einen sehr angenehm lesen lässt – der Schreibstil ist doch deutlich wahrnehmbar weit entfernt vom klassischen, eher trockenen IT-Buch. Aber um IT geht es auch nur auf hohem Level. Wunderbar zum anderen, weil nicht wilde Thesen oder Behauptungen aus der Luft gegriffen werden, wie das so häufig bei Büchern zu digitaler Transformation der Fall ist, weil immer irgendjemand seine Marketingbotschaften und damit letztlich Werbung für das eigene Geschäft unterbringen möchte. Keese analysiert ganz sauber und vor allem aus Sicht von Deutschland (!), nicht aus Sicht einer einzelnen Firma, was passieren müßte, um uns als Land nach vorne zu bringen.

keese

Gleich zu Beginn wird die Absicht in aller Deutlichkeit offen angesprochen: Wenn Deutschland nichts tut, sich nicht öffnet für die Digitalisierung, dann laufen wir Gefahr, vom Land der Hochtechnologie abzurutschen und ein zweites Shenzhen zu werden. Aber Moment: wäre das wirklich die schlimmste Option? Die Sonderwirtschaftzone vor Hongkong ist ein unglaublicher Erfolg! Wir dürfen uns also glücklich schätzen, wenn wir „nur“ auf das Niveau eines Shenzhen abrutschen… Die schlechteste Variante wäre, wir bekommen die Kurve gar nicht und dann bleibt nur die Bedeutungslosigkeit.

Diesen Gedanken entwickelt Keese durch das Buch hindurch konsequent weiter. Natürlich aus seiner subjektiven Sicht. Aber, so hat man zumindest das Gefühl beim Lesen, extrem sauber recherchiert. Aus einem Gedanken wird eine These. Auf die These folgt: Eine Validierung mit einem oder mehreren Gesprächspartnern aus unterschiedlichen Kontexten. So wird etwa das Bosch Digitalisierungs-Flagship, der Indigo Connect Rasenmäher, als Beispiel für deutschen Fehlschlag und Verpassen einer Chance im Sinne des Silicon Valley Denkens vorgestellt. Dabei bleibt es nicht bei Gedanken: Die Besuche und Interviews in den entsprechenden Produktionsstätten erläutern sehr genau, was Keese meint, wenn er dieses „Silicon Valley Denken“ fordert. Ausgesprochen interessant, was an Schlussfolgerungen gezogen wird. So wird der Leser bombardiert mit interessanten Ideen – Hunderten! Über das komplette Buch verstreut. Hinzu kommen noch die Berge an Ideen, die in den eigentlichen Ideen-Kapiteln, nach Branchen sortiert, gelistet werden. Sehr inspirierend.

Aus dem Inhalt:

4 Gründe, warum es Deutschland schwer hat:
1) Vernetzung: Wir verbinden Systeme nicht
2) Produktion: Wir verlassen uns zu sehr auf alte Stärken
3) Spezialisierung: Wir denken in Fachgebieten und meiden Risiken
4) Management: Wir belohnen Perfektion und bestrafen Fehler

4 Herausforderungen, mit denen wir umgehen lernen müssen:
1) Technologie: Durchbrüche revolutionieren die Wirtschaft
2) Plattformen: Produzenten werden an den Rand gedrängt
3) Disruption: Alte Märkte kollabieren, neue springen hervor
4) Geschäftsmodelle: Das Wie entscheidet über den Erfolg

Szenarien, wie sich Branchen ändern werden:
1) Automobil
2) Banken
3) Versicherungen
4) Telekommunikation
5) Energie
6) Wohnen
7) Handel
8) Logistik
9) Gesundheit

Was Unternehmen tun sollten:
1) Strategie: In die eigenen Kannibalen investieren
2) Führung: Vom Anspruch auf Allwissen verabschieden
3) Innovation: Großes Denken, Neues wagen
4) Standort: Dorthin gehen, wo Talente sind
5) Transformation: Kritische Masse durch Lernen schaffen
6) Integration: Freiheit lassen, nicht erdrosseln
7) Organisation: Netze flechten und Pyramiden verkleinern

Was Politik und Gesellschaft tun sollten:
1) Regierung: Ein Digitalministerium gründen und Kommunikationsnetze ausbauen
2) Regulierung: Freiräume für Innovationen schaffen
3) Finanzierung: 30 Milliarden pro Jahr für Start-ups organisieren
4) Justiz: Schnell eintragen, kompetent Recht sprechen
5) Bildung: Wissenschaft stärken, Universitäten reformieren
6) Werte: Eine Charta der digitalen Rechte und Chancen schreiben

Mein Fazit: Extrem gut geschrieben. Eine hervorragende Zusammenfassung der Gedankenwelt um Digitalisierung. Must-read für alle Unternehmer, Architekten und Digitalisierungsberater (und die, die es werden wollen). Christoph Keese: Danke dafür!

Alle Beiträge von Torsten Winterberg

Torsten Winterberg, Dipl.-Ing. Elektrotechnik (Uni), Dipl.-Wirt.-Ing. (FH), verantwortet als Director Technology das Technologiemanagement bei OPITZ CONSULTING. Torsten ist Berater und Coach für „alles Neue“, seine Schwerpunkte sind IT- Modernisierung, moderne Systemintegration, Innovationsfähigkeit, Digitale Geschäftsmodelle, Lösungskonzeptionen und -architekturen. Weiterhin treibt Torsten den Aufbau des Innovation Hub Bergisches RheinLand e.V. in der Position des Geschäftsführers voran.

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