Vor einiger Zeit wurde die Frage an mich herangetragen, wie Retrospektiven in verteilten Teams durchgeführt werden können. Es wurde vorgeschlagen, dies einmal mit einem eigenen Team auszuprobieren.
Der Vorteil war, dass ich dieses Team schon recht gut kannte und wir gemeinsam auf eine gewisse Retrospektivenerfahrung zurückblicken konnten.
Somit starteten wir Anfang Februar das gemeinsame Experiment: Das Team teilte sich auf in eine Gruppe, die im gewohnten Besprechungsraum sitzen blieb, drei weitere Kollegen hingegen gingen zurück an ihren Arbeitsplatz.
Technologisch habe ich mich entschieden für:
- Audio: Telefonkonferenz über unsere normalen Telefone
- Video: Google Hangout
- Retrospektivenwerkzeug: Stormz (stormzhangout.com, bietet ein virtuelles Board mit Bewertungsfunktion und lässt sich in Google Hangout integrieren)
Das Werkzeug Stormz konnte recht schnell eingerichtet werden, wobei es nicht alle Kollegen direkt im Hangout nutzen konnten, da das Tool über einen IFrame eingebunden wird und heutige Browser das nicht ohne Weiteres erlauben.
Nachdem diese Anfangshürden genommen waren, ging es dann endlich an die Retrospektive, die etwa zwei Stunden umfasste.
Zusammenfassend kann man sagen, dass Stormz grundsätzlich ganz gut funktioniert hat, die zwischenmenschliche Ebene bei dem Format aber weitestgehend auf der Strecke blieb (was ich auch nicht anders erwartet hatte).
Zuerst wurden Karten (Themen und Ereignisse) von allen Teilnehmern geschrieben, die vorerst nur von ihnen gesehen wurden. Danach wurden im nächsten Schritt die Karten für alle sichtbar und diese kurz erläutert.
Nach dem Clustern (etwas mühselig) konnten alle Teilnehmer für die Themenblöcke Punkte vergeben, um darüber zu bestimmen, worüber sie reden wollten. Dann wurden für die einzelnen Karten in den Blöcken nach mancher Diskussion wenn möglich konkrete Todos definiert.
Grundsätzlich hat das Experiment funktioniert, wenn auch mit den erwähnten Einschränkungen, aber die waren ja wie gesagt auch zu erwarten. Die Rückmeldung der Teilnehmer gibt das Ergebnis noch einmal in der Summe wieder:
- Das Tool Stormz hat grundsätzlich gut funktioniert
- Das GEMEINSAME fehlt/kommt zu kurz
- Die nonverbale Kommunikation und damit die Informationen daraus fehlen komplett
- Es ist eher eine Telko, da alle vor ihrem Rechner sitzen und nichts Interaktives dabei ist
- Man ist schneller abgelenkt (liest Mails etc.“¦)
- die Teilnehmer brauchen deutlich mehr „Rüstzeit“
- Das Tool bietet einen eher starren Ablauf und viele Möglichkeiten, die analoge Mittel haben, hat man hier nicht
- Gefühlt war das Ergebnis deutlich dünner als in den vergangenen Retrospektiven
- Die Themen waren eher technischer Natur und weniger emotional
- Das Vorgehen ist deutlich ermüdender als eine „normale“ Retro
- Die Sprachqualität über die Freisprechfunktion war nicht immer zufriedenstellend
- Die typischen „Spielchen“ oder „Sonderlocken“ einer Retrospektive sind nicht machbar
Wir haben auf jeden Fall eine Menge dazu gelernt. In einer weiteren verteilten Retrospektive würden wir alle mit Headsets arbeiten, um die Sprachqualität deutlich zu verbessern. Außerdem könnte ein etwas „freieres“ Werkzeug, wie beispielsweise padlet.com, die Kreativität der gesamten Gruppe mehr fördern. Hinzu kommt, dass solche Werkzeuge meistens auf den Geräten der Teilnehmer ohne Installation problemlos funktionieren.
Wir sind auf jeden Fall gespannt auf das nächste Experiment!