Ein Warenlager am Messestand? Dazu noch mit der Vuzix M300 Datenbrille verknüpft? Geht das überhaupt? In einem Showcase haben wir auf mehreren Fachkonferenzen, unsere Lösung präsentiert, darunter WJAX, Continuous Lifecycle und DOAG Konferenz. Natürlich vom realen Warenlagen abstrahiert, aber für einen Eindruck der Arbeitsweise der Datenbrille optimal. Welche Erfahrungen wir (Sebastian Lechte, Edgar Filipsen, Manuel Fink und Jan Hüsson) bei der Entwicklung gesammelt haben und wie letztlich das Feedback zu dem Case war, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Der Entwicklungsprozess mit der Vuzix M300

Die Vuzix M300 ist eine klassische Datenbrille mit einem Head-Mounted-Display. Ein kleiner Monitor ist am Brillengestell befestigt und vor einem Auge positioniert. Er schränkt somit den Sichtbereich dieses Auges ein. Das andere Auge ist komplett frei. Die Brille läuft mit Android 6.0, somit kann Android Studio als Entwicklungsumgebung genutzt werden. Ein Emulator mit passendem Theme steht zur Verfügung. Wer schon einmal Android Apps erstellt hat, findet sich somit schnell zurecht.

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Es könnte also alles so einfach sein. Doch beim Anschluss der Vuzix M300 an den Computer kam die erste Ernüchterung. Die Erkennung der Vuzix funktionierte nicht, wie beim Smartphone gewohnt, per Plug & Play. Stundenlanges Ausprobieren mit den USB- Treibern führte uns jedoch letztlich zum gewünschten Ergebnis. Von nun an lief die Entwicklung unproblematisch.

Auch wenn die reine Implementierung der Android-App so ähnlich funktioniert wie bei einer Smartphone App , so gibt es doch einige Unterschiede. Die Fokussierung auf ein bestimmtes Gerät wie der Vuzix M300 erleichtert natürlich die Entwicklung und Kompatibilitätsproblematiken entfallen weitestgehend. Andererseits ist auf ein gänzlich anderes Bedienkonzept zu achten. Zwar gibt es vier Knöpfe und auch einen kleinen Touchbereich an der Brille, diese sollten jedoch weitestgehend aus dem Bedienkonzept herausgehalten werden, da sonst der Vorteil der Datenbrille, beide Hände frei zu haben, verloren ginge. Eine passendere Art der Navigation ist visueller Natur: die Navigation per QR-Codes.

Hierfür liefert Vuzix eine Bibliothek mit, die wunderbar mit der M300 kompatibel ist. Da uns die Brille nicht während der gesamten Entwicklungszeit zur Verfügung stand, mussten wir uns eine Lösung überlegen, um unsere App dennoch zu testen. Die native Entwicklung in Android Studio mit Java kam uns entgegen. Warum nicht unseren Showcase einfach auf einem Android Smartphone testen, dachten wir. Doch die Vuzix Bibliothek für QR-Codes machte uns hier einen Strich durch die Rechnung. Eine Alternative war in Form der frei verfügbaren ZXing Bibliothek schnell gefunden. Da diese jedoch zwar auf dem Smartphone gut funktionierte, bei der Vuzix aber äußerst unsensitiv war, mussten wir uns noch eine andere Lösung überlegen. Letztlich fragten wir programmatisch die Hardware ab und setzten je nach Gerät die passende Bibliothek ein. Somit lief der Showcase auf der m300 und Android Smartphones.

Der Vision Picking Showcase im Detail

Unser Showcase besteht aus einem Schubkasten mit 16 einzelnen Boxen, in denen sich wiederum verschiedene Formen befinden. Die Aufgabe besteht darin, bestimmte Formen aus den Boxen zu nehmen und in eine weitere Zielbox zu räumen. Die dafür notwendigen Informationen werden auf dem Display der Vuzix angezeigt. Sowohl die einzelnen Boxen, als auch die Formen sind mit QR-Codes beklebt, damit die Vuzix die einzelnen Objekte erkennen kann. Dadurch ist es möglich, jeden Schritt zu dokumentieren und den Standort der Objekte in einer Datenbank zu speichern.

Gestartet wird mittels spezieller Auftragskarten. Diese bestimmen die Anzahl der Teile, die gesammelt werden müssen. Unsere App generiert dann zufällig einen Auftrag und ein Algorithmus ermittelt die passenden Boxen, um in möglichst wenigen Schritten alle gesuchten Formen zu finden. Zum Schluss wird die Zielbox angezeigt, und sobald alle Gegenstände dort hineingelegt wurden, ist der Auftrag erledigt.

Unsere gesammelten Erfahrungen

Auf den Messen gab es großes Interesse an unserem Showcase und viele Besucher schlüpften selbst in die Rolle eines Lagerarbeiters. Das Feedback war dabei größtenteils positiv. Schon nach einer kurzen Einführung konnten alle Besucher den Auftrag erfolgreich abschließen und sich eine entsprechende Anwendung vorstellen. Die Brille wurde als leichtgewichtig empfunden und hielt mit der externen Powerbank viele Stunden durch. Die Kamera ist hochauflösend und ermöglicht der Software, auch kleine QR-Codes mit hoher Zuverlässigkeit zu erkennen.

Dennoch gab es auch Kritik. Diese war vor allem dem Konzept der Brille geschuldet. Die Einschränkung des Sichtfeldes durch einen letztlich doch sehr kleinen Monitor führte zu Schwierigkeiten bei der Fokussierung mit dem Auge. Wir als Entwickler hatten anfangs die gleichen Schwierigkeiten, konnten uns nach längerem Testen jedoch daran gewöhnen. Zusätzlich saß das Brillengestell nicht bei allen Anwendern gleich gut. In wenigen Fällen hatte die Brille gar keinen Halt auf der Nase. Außerdem konnten wir ebenfalls in wenigen Fällen das Einfrieren der kompletten Brille feststellen. Dies lässt sich vermutlich auf eine Beschädigung an der Buchse der Haupteinheit zurückführen, da die Brille während der Messen stark beansprucht wurde. Zudem sahen einige Besucher aus der Logistikbranche die Gefahr, dass durch das verdeckte Sichtfeld Gefahren wie z. B. Gabelstapler im Lager nicht oder zu spät erkannt werden könnten.

Für uns selbst haben wir festgestellt, dass wir den Showcase zunächst zu groß geplant haben. Ursprünglich sollten zwei Besucher gegeneinander antreten. Einer mit und einer ohne Brille und dabei mehrere Aufträge abschließen. Da die meisten Besucher nur kurz testen wollten, verzichteten wir am Ende auf den Wettbewerb und ließen die Besucher nur einen Auftrag abschließen. Das hatte den Vorteil, dass der Showcase nicht so lange dauerte und mehr Nutzer die Brille ausprobieren konnten.

Fazit

Wie wir aus dem Feedback gelernt haben, muss die Möglichkeit eines produktiven Einsatzes in einem größeren Rahmen überprüft werden. Dennoch konnte der Showcase sehr gut darstellen, was mit der aktuellen Technik möglich ist, welche Limitierungen es noch gibt und wie eine Datenbrille in Zukunft den Arbeitsalltag der Logistikbrache unterstützen könnte.

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